Unsere Bäckerei

Nächtlicher Backstuben-Tanz

LAUTERN BEI NACHT:
Bäckermeister und Gesellen bewegen sich bei ihrer Arbeit in einer genau abgestimmten Choreografie.

Brötchen formen (von links): Stephan Müller, Karl-Heinz Eckelmann, Alexandra Schulz und Daniel Hedtmann befolgen eine ungeschriebene Choreografie, wenn sie in der Backstube zusammenarbeiten.

In der 40 Quadratmeter großen Backstube von Stephan Müller muss alles Hand in Hand gehen. Ab 1 Uhr wird dort gewogen, geformt und glasiert.

In der Altstadt wird getanzt. Gern und viel. Sei es im Tanzlokal, der Diskothek oder einfach so, auf der Straße. In dieser Nacht wird auch am Rande der Altstadt getanzt. Nach einer ganz bestimmten Choreografie bewegen sich in der Mannheimer Straße vier Bäcker in der Backstube Müller. Zwar läuft im Hintergrund Musik aus dem Radio, doch die Choreografie orientiert sich am Rattern der Teigpresse für Brötchen, dem Rührwerk des Teigkneters und dem Zischen der Wasserdampfdüsen im Backofen. Bäckermeister Stephan Müller und seine Gesellen Karl-Heinz Eckelmann, Alexandra Schulz und Daniel Hedtmann sorgen in der 40 Quadratmeter großen Backstube dafür, dass am kommenden Morgen die Frühstücksbrötchen auf dem Tisch stehen. Bei dem eingespielten Team geht alles Hand in Hand. Müller nimmt den Teig aus der Knetmaschine und wirft ihn auf das Arbeitsbrett, wo er von Karl-Heinz Eckelmann abgewogen und geformt wird. Er hat zuvor die Bestellungen, die zusätzlich zum normalen Pensum in dieser Nacht gebacken werden müssen, überprüft und ruft seinem Chef die Anzahl der verschiedenen Brote zu, damit der den Teig entsprechend bereitstellt. Der 51-jährige Bäckergeselle legt die geformten Brote in Peddigrohrschalen, deren Wulste sich in den Teig drücken und den Bauernbroten das typische Aussehen geben. Nach einiger Zeit werden die Brote aus den Schalen auf ein Brett gestülpt: So verteilt sich die Flüssigkeit im Teig und damit das Aroma. Die beiden Bäcker haben um 1 Uhr die Arbeit aufgenommen und sind mit dem Vorbereiten der Korn-, Schrot- und Mischbrote beschäftigt. Mittlerweile sind auch Alexandra Schulz, die seit 15 Jahren hier arbeitet, und Daniel Hedtmann eingetroffen. Sie reihen sich nahtlos in den Produktionsprozess ein. Hedtmann ist der Jüngste im Team und hat seine Lehre in der Bäckerei absolviert. Stephan Müller ist 49 Jahre alt und hat den Betrieb 1990 von seinem Vater Harry übernommen, der ihn vor 50 Jahren gekauft hatte. Nach der Übernahme hat er die Technik erneuert und die Angebotspalette den neuen Anforderungen angepasst. „In den 1960er-Jahren war es üblich, dass die Brote drei oder gar sechs Pfund wogen, damals waren die Familien größer“, erzählt er. „Heute werden die Brote hauptsächlich in Größen von 500 oder 750 Gramm hergestellt.“

Es ist eine der ersten kalten Septembernächte. Draußen zeigt das Thermometer acht Grad. In der Backstube sind es mittlerweile 35 Grad. Während Karl-Heinz Eckelmann die Brote in den Backofen legt – „einschießen“, heißt das in der Bäckersprache –, bereiten Alexandra Schulz und Daniel Hedtmann zusammen mit dem Meister die Brötchen vor. Und wieder läuft alles präzise wie ein Uhrwerk ab. Karl-Heinz Eckelmann gibt mit den Dampfdüsen im Backofen Feuchtigkeit auf die Brote, damit die Oberfläche feucht bleibt. Um eine feste Kruste zu erhalten, wird mit fallender Temperatur gearbeitet: Die Brote sind bei einer Backtemperatur von 285 Grad eingeschossen worden und kommen nach einer Stunde bei 240 Grad wieder aus dem Ofen. Für die kräftige Unterseite des Brotes sorgen die Steine im Backofen. „Es ist die Kunst des Bäckers“, sagt Stephan Müller, „eine knusprige Kruste zu erhalten, ohne dass der Boden verbrennt.“ Eckelmann arbeitet seit fast 20 Jahren in dem Familienbetrieb und beherrscht diese Kunst. Am Arbeitsbrett werden mittlerweile Teigklumpen abgewogen und in die Brötchenpresse gelegt. Aus der kommen runde Teigstücke heraus, die von den beiden Gesellen mit der Hand in eine längliche Form gerollt werden. Auch hier sei es „die Kunst des Bäckers“, dies so hinzubekommen, ohne dass der Teig reiße, erzählt Müller. Um 4.50 Uhr werden die Brötchen gebacken, nachdem die Laugenbrezeln den Backofen verlassen haben. Zwischen den Backvorgängen für Brot, Laugenbrezeln und Brötchen kommen die bereits vorbereiteten süßen Teilchen in die Röhre. Der Backvorgang für diese Nacht ist beendet. Jetzt werden die Kaffeeteilchen glasiert und die Backwaren in den Laden eingeräumt, damit die Kunden ab 5.30 Uhr ihre Frühstücksbrötchen holen können. Für das Team der Backstube ist die Nacht allerdings noch nicht vorbei. Müller liefert jetzt die Bestellungen für Restaurants und Firmen aus. Einen anderen Beruf, den kann er sich nicht vorstellen, will der Tradition, der „Kunst des Bäckers“ treu bleiben. Und das weiter in einem kleinen Geschäft, ohne Filialen. Das ernährt seine Familie und die Gesellen, welche noch die Backstube reinigen und für die kommende Nacht vorbereiten.

Die Kruste macht das Brot: Eine Kunst sei es, sagt Stephan Müller, wenn das Brot oben knusprig ist und unten nicht verbrennt.

 

 

 

 

 

 

Quelle: DIE RHEINPFALZ Nr. 219, Ausgabe Marktplatz Kaiserslautern, Artikel vom Mittwoch den 19. September 2012. Autor: Peter Bügler